ARBEITSPROBE:
Henning Richter
Journalist / Autor für Musik, Kultur & Sport

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SUCH A SURGE - Karriere mit geradem Kreuz

Zehn Jahre Such A Surge - trotz Werbeverträge bleibt die künstlerische Unabhängigkeit ihr oberstes Gebot

"Wir sind eine aussterbende Rasse", findet Axel Horn, Bassist und Manager von Such A Surge, "wir sind grundehrlich und haben niemals versucht, irgendwelchen Trends hinterher zu laufen." "Zehn Jahre" heißt das Best-Of-Album von Such A Surge, das die stärksten Songs des Quintetts Revue passieren lässt. Horn gibt offen zu, dass diese Idee nicht von den Musikern stammt. "Die Plattenfirma hat uns darum gebeten, wir können das ohnehin nicht verhindern. Also machten wir das Beste draus. So haben wir unseren vielleicht coolsten Song "Koma" neu eingespielt, außerdem versammelt das Album alle unsere Singles, zwei Soundtrack-Titel sowie zwei nagelneue Lieder. Es sollte keine dieser lieblosen Nullachtfünfzehn Best Ofs werden, wie es etwa von Faith No More zahllose gibt."

Sicher, andere Bands mögen mehr CDs verkauft haben, aber die Braunschweiger sind der Rock-Szene immer treu geblieben, ohne eine Karriere als Popstars anzustreben. Dafür erhalten sie großen Respekt, das zeigt auch die Akzeptanz ihrer Nebenprojekte. Ihre Hardcoreband Pain In The Ass (mit demselben Personal wie Surge) kann auf gut besuchte Clubs rechnen, wenn sie tourt. Revolver, die Action Rockband ihres Schlagzeugers Antek Rudo, wird in der Rockpresse bejubelt; Gitarrist Dennis Graef brachte mit "Valentinswerder" eine vielbeachtete Solo-Scheibe heraus; im Frühjahr schließlich wird das lang angekündigte Originalton Album erscheinen, das Hip-Hop-Projekt des Surge-Sängers Olli Schneider.

Mit Wurzeln in Spielarten wie Metal, Punk, Hardcore und Hip Hop sind Such A Surge eine klassische Crossover-Combo. Mitte der Neunziger gaben sie mit "Under Pressure" ihr Albumdebüt und konnten sich über 150.000 verkaufte Kopien freuen. Damals entstand eine quicklebendige Szene in Deutschland, Bands wie H-BlockX, Blue Manner Haze, Megalomaniax, Gunjah, Headcrash, Mr. Ed Jumps The Gun, Blackeyed Blonde oder Thumb waren nur die Spitze des Eisbergs, in jeder Stadt gab es zahlreiche Ensembles, die putzmunter alle möglichen Stile mischten. Inzwischen sind Such A Surge und ihre Kollegen H-BlockX aus Münster die einzigen Überlebenden. Freilich ist inzwischen die nächste Generation am Start, Gruppen wie Guano Apes, Die Happy oder Uncle Ho wandern auf den Schneisen, die ihre Vorgänger geschlagen haben.

Neben vielen Höhen gab es auch Tiefpunkte im Leben von Such A Surge, 1996 gingen DJ Royal T und Trommler Daniel Laudahn von Bord. "Seitdem sagen wir, die fünf jetzigen Mitglieder sind die Band. Wir haben uns geschworen, wenn einer von denen aussteigt, dann ist Such A Surge tot. Schluss, Aus, Vorbei!", sagt Axel ernst.

Mit Stolz weist Horn, heute piekfein im schwarzen Anzug zum Interview erschienen, darauf hin, dass seine Band sich nie Trends angebiedert habe. "Nu Metal mag momentan angesagt sein, aber wir sind zu alt für so´n Zeug. Ich mag zur Zeit ein Sakko tragen, aber darunter bin ich immer noch Punk, ich mache was ich will, zu meinen Bedingungen." Natürlich würde seine Band keine goldenen Schallplatten verweigern, aber er wolle sich dafür nicht verbiegen. "Wenn ich es schaffe, eine Goldene mit durchgedrücktem Kreuz zu bekommen, dann ist die tausendmal mehr wert als das Edelmetall willenloser Popsternchen."

Für einen Punkrocker wie Horn ist es Ehrensache, dass die Band ihre Geschäfte selber führt. Der smarte Basser hat kein Problem damit, Werbung für verschiedene Produkte zu machen, darunter auch ein Kräuterlikör aus Wolfenbüttel. "Wir arbeiten nur mit Firmen, deren Produkte wir cool finden. Da geht es nie um hohe Summen", berichtet er. "Mit Jägermeister wollten schon lange was machen, deren Fahne hab ich schon früher auf der Bühne getragen, auch wenn man sie nicht sehen konnte. Durch die Firma hab ich einen Original Eintracht-Braunschweig-Trainingsanzug aus den Sechzigern bekommen. Allein dafür hat sich der Deal gelohnt!", meint der langjährige Eintracht-Fan. "Ollie und ich stammen aus Wolfenbüttel, das ist für uns J-Town. Aber auf unseren CDs, unserer Kunst, wirst du nie ein anderes Logo sehen als das von Such A Surge und der Plattenfirma. Ich kann morgens immer noch in den Spielgel gucken."

Seine Band charakterisiert der schlagfertige Tieftöner abschließend " als Anti-Stars. Das Leben als Star würde uns nicht liegen. Künstlerisch können wir machen, was wir wollen, davon können wir unsere Miete bezahlen, aber wir können auch unerkannt durch die Straßen laufen. Wir wollen Menschen sein und keine Kunstprodukte, insofern halten wir es eher mit den Siebzigern als den neunziger Jahren."

Henning Richter

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