ARBEITSPROBE: Lisa "Bevor ich sprechen konnte, habe ich schon gesungen, erzählt meine Mutter immer", berichtet Lisa mit lachenden Augen. "Singen war für mich das Allerwichtigste!" Geboren und aufgewachsen in Schwaben, stieß ihr Talent auf die offenen Ohren eines wachen Musiklehrers, der sie für die Schul-Big-Band engagierte. Mit dem Pennäler-Orchester im Rücken absolvierte die stimmgewaltige Vierzehnjährige ihren ersten großen Auftritt, den über tausend begeisterte Zuhörer bejubelten. Jazz war Lisas frühe Liebe und so sang sie streckenweise in drei Big Bands nebeneinander. Nach einem kurzen Intermezzo in einer Bluescombo beschloß der "Rohdiamant" seine Stimmbänder schulen zu lassen und besuchte ein musisches MÄdcheninternat. "Ich sagte mir, besser lernst du unter Mädchen. Das Thema Jungs war tabu, was ich immerhin ein Jahr durchgehalten habe", zwinkert sie. Am Ende der Internatszeit begann eine Phase der Neuorientierung, in mehrfacher Hinsicht. "Die Jazzer waren mir zu puristisch und zugeknöpft. Ich entdeckte Reggae, Hardcore und den Psychobilly der Cramps." Politisch wurde eine Visite in Wackersdorf 1986 zum Wendepunkt in Lisas Leben. Hier kÄmpften angereiste Bewohner eines Zeltdorfes zusammen mit den Menschen aus der Region gegen eine geplante Wiederaufbereitungsanlage für Plutonium, übrigens mit Erfolg. Der rigorose Einsatz der Polizei veränderte das Weltbild der frischgebackenen Abiturientin nachhaltig, ihre politischen Ansichten radikalisierten sich. Bei dem folgenreichen Besuch in Wackersdorf lernte Lisa auch eine Gruppe Kölner Punks kennen, die ihr einen Platz in ihrer Wohngemeinschaft anboten. Eine Offerte, die sie gerne annahm. "Die waren ziemlich verwirrt, als ich mit meinen weißen Schühchen einzog." Das "brave Mädchen aus dem Schwabenlande" wandelte sich zur Hausbesetzerin. Nicht ohne Stolz verweist sie heute noch auf die leerstehenden Häuser, die ihre Besetzergruppe wieder bewohnbar machte. Daneben folgte sie ihren neuen musikalischen Neigungen und wurde zur Frontfrau dreier Bands, die sich jeweils Reggae, Soul und Punk widmeten. Irgendwann wurde auch Ina Deter auf Lisas imponierendes Organ aufmerksam und engagierte sie als Back-Up-Sängerin für Plattenaufnahmen. Später gründete die kleine Frau mit der großen Röhre dann selber Gruppen, in denen sie stets versuchte, harte Musik mit melodiösem Gesang in Einklang zu bringen. Keine leichte Aufgabe, die immer wieder am Unverständnis der übrigen Mitglieder scheiterte. 1991 gab Lisa ihrem Leben eine weitere Wende, sie sagte Lover, Band und einem Job als Plattenverkäuferin adieu und zog nach Berlin. Auf der Suche nach neuen Mitstreitern verschlug es sie unter anderem in den Proberaum einer trinkfesten Grindcore Band: "Das dauerte aber nicht lange, ich war ständig blau und heiser. Hat aber trotzdem Spaß gemacht." Da in dieser Phase musikalisch wenig Aufregendes passierte, beschloß die Vollblut-Vokalistin, ihre Stimme weiter zu vervollkommnen und sich beim Hamburger "Kontaktstudiengang für Popularmusik" einzuschreiben. Angeregt vom kreativen Klima der Hochschule, gründete sie mit einigen Kommilitonen die Band Lucy, die jedoch nach drei Jahren endloser, zermürbender Konflikte ein sang- und klangloses Ende fand. Nach diesem frustrierenden Erlebnis stand für Lisa eines fest: Nie wieder wollte sie nach der Pfeife von anderen tanzen, sondern künftig selber den Ton angeben. Einen verständnisvollen Partner fand sie in dem Produzenten Georg Kaleve, mit dem sie sich ein halbes Jahr zurückzog, um ausgiebig zu experimentieren. Ihre Marschrichtung war klar: "Ich wollte Loops, Staubsauger-Gitarren und deutsche Texte." Was sich in den sechs Monaten aus dieser Grundidee entwickelte, kann man getrost als "dramatisch" bezeichnen. Nach Lisas Anweisungen spielte die Creme de la Creme der Berliner Studiomusiker Hard Pop vom Allerfeinsten ein. Für das Debütalbum "LISA" ließ die Vollblut-Vokalistin ihren markanten Gesang mit harten Gitarren und krachenden Grooves untermalen. Damit beweist sie, daß hart und zart kein unvereinbarer Gegensatz sein muß - im Gegenteil, das Ausnahme-Talent verbindet Melodie und Härte mit verblüffender Leichtigkeit. Auch textlich geht sie eigene Wege, Lisas Lyrik beschreibt Gefühle, jenseits aller breitgetretenen Plattheiten. Das beste Beispiel liefert die temperamentvolle Single "Wenn Ich will". Sie behandelt das schwierige Kunststück, sich nach einer Trennung am eigenen Schopf aus dem Sumpf des unvermeidlichen Stimmungstiefs zu ziehen. Wie ein roter Faden zieht sich die kraftstrotzende Stimme mit ihrem unbestechlichen Gefühl für die gesangliche Ideallinie durch die Songs. Lisas Hard Pop, aus Crossover-, Alternative-, und Techno-Elementen, trifft präzise den Nerv der Zeit. Einem derart überzeugenden Sound hat die deutsche Musik-Szene derzeit nichts entgegenzusetzen! |
Henning Richter |