ARBEITSPROBE: H - Blockx Sie sind auf dem Teppich geblieben, mit beiden Beinen. Goldene Schallplatten, umjubelte Konzerte, Dauerpräsenz in den Medien - alles schön und gut - doch wenn alles vorbei ist, freuen sich H-Blockx auf ein Bier mit Freunden in Münster. Wenn sie von den Reisen in ihre Wohngemeinschaften zurückkehren (vier Mitglieder leben in verschiedenen WGs, nur Trommler Mason wohnt allein), dann fühlen sie sich wie andere Menschen im Urlaub. Abheben in Richtung Sterne liegt ihnen nicht und Star-Allüren sind den Westfalen schnuppe. All die glänzenden Erfolge der letzten Jahre haben den fünf Jugendfreunden nicht die Sicht auf die Realität verstellt. Knallende Champagnerkorken, silikongefüllte Groupies und teure Limosinen bedeuten ihnen wenig, für sie ist Musik kein Mittel, um Platten zu verkaufen, sondern ein Vehikel zur Entdeckung der Welt sowie der eigenen Persönlichkeit. "Was wir auf der Bühne darstellen ist ein Teil von uns, Musik ist unser Lebensinhalt, deswegen investieren wir soviel Zeit in sie", erklärt Sänger Henning. Jeder in der Band kann sich noch gut an die Tage erinnern, in denen gerade ein Mitglied seinen Führerschein hatte und sie mit Mietwagen und Anhänger nach Bayern rollten, um in kleinen Kneipen zu zeigen, was die draufhatten. Die Zeiten haben sich geändert, in Deutschland spielen H-Blockx nun in ausverkauften Hallen. Doch die Münsteraner blickten von Anfang an über den nationalen Tellerrand hinaus, sie denken europäisch, auch wenn sie so manches Mal draufzahlen mußten. Während die fidelen Fünf bei uns bereits zum Kassenmagneten aufgestiegen waren, kamen in Stockholm gerade sieben zahlende Gäste ins Konzert. Und doch haben sie bei solchen Aktionen genauso viel Spaß wie in Roskilde, wo 25.000 komplett ausrasteten. Auch in Zukunft wird die abenteuerlustige Truppe auf emotionale Wechselbäder dieser Art nicht verzichten. Den Grundstein zur europaweiten Karriere legte die mobile Combo in den Jahren 94/95, als sie die Alte Welt von Nord nach Süd und West nach Ost erkundetet, um überall schweißnass ermattete Fans zurückzulassen. Auf der Bühne sind H-Blockx eine Macht, wer die Truppe noch nie live erlebt hat, sollte das schleunigst nachholen! Der H-Blockx-Effekt ist verblüffend, sein Geheimnis besteht in purer positiver Energie. Sobald die Band ihre athletischen Rhythmen in den Saal pumpt, hüpft das Publikum breitgrinsend im Takt, das grassierende Tanzfieber ist höchst ansteckend und dennoch frei von jeglichen Risiken und Nebenwirkungen. Die Geschichte der ambitionierten Gruppe begann auf dem Gymnasium Wolbeck, eines Vororts von Münster. Hier trafen sich Trommler Mason, Basser Gudze, Gitarrist Tim und Shouter Henning, um festzustellen, daß alle vier ein starkes Interesse an spannender Musik hatten. 1990 fiel die spontane Entscheidung, sich zusammenzutun, so spontan, daß sie vergaßen, ihre Band zu taufen. Für anstehende Konzerte mußte dann ein Name her und so entschieden sie sich für einen Begriff aus dem Englischunterricht, H-Blockx, die Bezeichnung der GefÄngnistrakte für IRA-Mitglieder in Irland. 1992 komplettierte Dave als zweiter Frontmann den Fünfer. 1994 erschien ihr erstes Album "Time To Move", das am 27. September in die deutschen Albumcharts einstieg (Höchstnotierung Platz 14), wo es auch ein Jahr später noch zu finden war. Ihre Videos liefen heiß, MTV zeichnete die Band darauf als "Local German Hero" aus, VIVA verlieh ihnen den Cometen für das beste Video des Jahres ("Rising High"). Allein in den Jahren 1994/95 gaben H-Blockx 200 Konzerte, bis heute teilten sie die Bühne mit Größen wie James Brown, Bon Jovi, Sex Pistols, die Toten Hosen, Dog Eat Dog, Biohazard, Clawfinger und vielen anderen. Im September ´95 ging´s dann in den wohlverdienten Urlaub, um sich anschließend der Arbeit am neuen Album "Discover My Soul" (Vö.: 30.9.) zu widmen, das folgerichtig europaweit veröffentlicht wird. Vorausgegangen war bereits die Single "How Do You Feel", dessen Video wiederum von den Wiener Clip-Königen DoRo produziert wurde. "Wir verstehen uns als progressive Rockband, die Elemente aus allen möglichen Bereichen wie Punk, Grunge, Rap, Hardcore und Crossover einsetzt", stellt Henning fest. Das Gros der Titel entstand in Zusammenarbeit mit ihrem Stammproduzenten (und Manager) Ralph Quick, doch die Band erforschte auch neue Wege. Für das getragene "I Heard Him Cry" holte sie ein 13köpfiges Streichorchester ins Studio. Fünf Demo-Titel gab sie in die Hände des Hamburger Trip-Hop-Experten Andreas Herwig (trieb.), der sie verfremdete und, laut Tim "völlig abgefahrene Klänge" erzeugte, zu denen das innovative Quintett dann live im Studio spielte. Während Gudze die Musik für sämtliche Titel lieferte, feilten Dave und Henning an den Worten. "Wir haben die Verantwortung über unsere Texte nachzudenken, was wir sagen, muß schon fundiert sein", unterstreicht Henning. Beide beschäftigten sich, unabhängig voneinander, eher mit persönlichen Themen. So spiegeln die Texte die Selbstfindungsprozesse der beiden Sänger wider, für Henning sind sie "Fenster zur Persönlichkeit der Band", was auch den Titel des Albums erklärt, "Discover My Soul". Trotz aller bevorstehenden Aufregungen, Strapazen und neuerlichen Erfolge werden H-Blockx den Ball auch weiterhin haarscharf über der Grasnarbe halten. Schließlich schöpfen die Vollblutmusiker die Kraft für ihre dynamischen Auftritte aus dem Alltag. So meint Henning denn auch, sein Leben verlaufe in völlig normalen Bahnen, mit einem Unterschied: "Ich muß erst meinen Terminkalender zücken, um zu sagen, ich bin bei der nächsten Party dabei." |
Henning Richter |