ARBEITSPROBE:
Henning Richter
Journalist / Autor für Musik, Kultur & Sport

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Everlast - Von der Schönheit der Verlierer

Von Rap zu Talkin´ Blues - Everlast setzt auf musikhistorischen Crossover. Und hat nebenher noch Zeit, mit Eminem zu streiten, einen Mega-Hit für Santana zu schmieden und sich fünfmal täglich gen Mekka zu verneigen.

"Keiner fällt in Ohnmacht, wenn ich den Raum betrete. Ich bin normal, Mann", sagt Erik Schrody, besser bekannt als Everlast. Schon richtig, der Mann sieht nicht gerade aus wie Brad Pitt. In seinem weißen Trainingsanzug und ausgelatschten Sportschuhen würde er auch in einen Trailer Park passen. In den mobilen Häusern leben die ärmsten der Amis, zynisch auch "menschlicher Müll" genannt, die Everlast auf seinem dritten Solo-Album "White Trash Beautiful" besingt. In Wahrheit ist der 34jährige ein kommerziell und künstlerisch höchst erfolgreicher Mensch. Er begann bei Ice-T´s Rhyme Syndicate Cartel und gründete darauf die irisch-amerikanischen Rapper House Of Pain, deren selbstbetiteltes Debüt prompt eine Million Platten verkaufte. Als der Erfolg nachließ, startete er eine Solo-Karriere. Während der Aufnahmen zum Debüt "Whitey Ford Sings The Blues" erlitt Everlast einen Herzschlag und bekam eine künstliche Herzklappe eingesetzt, mit wilden Parties war daraufhin Schluss. Um so mehr Zeit hatte er fortan, Songs zu schreiben. Sein "Put Your Lights On" etwa verfasste er für Carlos Santanas´"Supernatural" Album. Ein echter Volltreffer, der Dreher verkaufte weltweit 21 Millionen Stück (!) und trug dem stolzen Autoren dazu noch einen Grammy ein.

Abdul Jalil Erik Schrody, wieviele Gebete hast Du heute schon gesprochen?

Heute habe ich noch nicht gebetet, aber das kann man nachholen. Wie jeder Moslem spreche ich fünf Gebete pro Tag, doch manchmal bete ich viermal hintereinander, bevor ich zu Bett gehe. Für jemanden, der im Westen lebt und dazu im Musikgeschäft arbeitet, ist es schwer, die Zeit dazu zu finden. Um das Versäumnis wieder gut zu machen, wird zudem erwartet, dass du zwei Extra-Gebete sprichst. Wenn du einen ganzen Tag nicht betest, kannst du einen Tag fasten, um das wieder aufzuholen.

Ist es ein Problem, Moslem im Amerika des George W. Bush zu sein?

Er will keine Probleme mit Moslems, das hat er von Anfang an klar gemacht. Am Tag nach 9-11 ging er in eine Moschee in Washington D.C. Es gibt eine Milliarde Moslems auf der Welt, davon schätzungsweise zwanzig Millionen in Amerika. Der Grundgedanke des Islam ist friedlich und tolerant. Selbstmord ist falsch, Mord ist falsch, das habe ich im Koran geIesen. Ich gehöre keiner organisierten Religion an, denn das geht immer schief. Die Idee des Islam ist meine persönliche Wahl und der Versuch, mich selbst zu verbessern und eine Beziehung zu meinem Schöpfer zu haben.

Wie reagieren die Menschen, denen Du von Deinem Glauben erzählst?

Sie sind perplex, ich bin ein wandelnder Widerspruch. Als tättowierter, weißer Ire mit katholischem Hintergrund bin ich Rockstar und Moslem in Amerika. (lacht) Wenn mir danach ist, trinke ich ab und zu auch mal Alkohol. Ich glaube nicht, dass ich wegen eines Drinks in der Hölle schmoren werde, da gibt´s größere Verfehlungen auf dem Planeten.

Du hast Dich nach einem Box-Ausrüster benannt. Wer ist Dein favorisierter Fighter?

Muhammed Ali. Es gab viele gute Kämpfer, aber niemand ist gegen die ganze Welt angetreten. Keiner forderte die amerikanische Regierung heraus, niemand zuvor hatte den Schwergewichtstitel viermal gewonnen. Ein Wahnsinnstyp, der ein höchst interessantes Leben führte. Daneben mag ich Mike Tyson als Boxer, aber der ist eine instabile Person, niemand möchte sein wie er.

Hast Du selbst geboxt?

Nein, ich hab mich nur dagegen gewehrt, auf der Straße verprügelt zu werden. Ich bin auch schon mal k.o. gegangen. Dann geht das Licht aus und wenn du wieder aufwachst, merkst du: Hey, ich war knockout.

Welcher Schicht gehört deine Familie an?

Ich komme aus der Mittelklasse, wir waren nie arm. Mein Vater ist Mitglied der Bau-Gewerkschaft, es gab Zeiten, in denen gestreikt wurde und wir ohne Geld waren. Es ist eine sehr stolze, amerikanische Arbeiterfamilie.

In Ice-T´s Rhyme Syndicate Cartel warst Du der einzige Weiße unter Schwarzen, stimmt´s?

Richtig, aber ich hab mich nie als Weißer gefühlt. Sie respektierten mich für meine Fähigkeiten, die weiße Hautfarbe war ein Bonus. Sie dachten, damit würde man vielleicht mehr Platten verkaufen. Es hat Spaß gemacht! Ich hab´ zwar kaum noch Kontakt zu Ice, aber er hat mir geholfen, dahin zu kommen, wo ich heute bin.

Mit "Put Your Lights On" hattest Du einen Mega-Hit auf Carlos Santanas "Supernatural". Hast Du ihn mal wieder getroffen?

Nein, ich habe ihn länger nicht gesprochen. Ehrlich gesagt, war ich etwas enttäuscht, dass er keinen Song von mir für das Folge-Album ("Shaman") haben wollte. Ich hätte ein besseres Lied geschrieben als einige der Typen auf dieser Scheibe. Es war dennoch eine Ehre für mich, mit dem Mann zu arbeiten und auf dieser gigantischen Platte zu sein. Ich habe einen Grammy Zuhause, weil ich einen Song dafür geschrieben habe! Ich hatte gehofft, unsere Freundschaft wäre stärker als sie tatsächlich war. Es war eher eine Musik-Beziehung als eine echte Freundschaft. Abgesehen davon ist er ein wunderbarer Typ.

Was hast Du mit dem Scheck von "Put Your Lights On" gemacht?

Knapp die Hälfte ging an den Staat. Ich habe jedoch keine Klagen, ich sammle keine Bentleys, fahre einen Truck und habe ein wunderschönes Haus. Mein einziger Tick ist Schmuck, doch selbst davon besitze ich nicht viel. Das Geld hab ich auf die Bank gebracht, ich will mir nie wieder über Kohle Sorgen machen müssen. Es ist mein Plan, eine Familie zu gründen, dafür ist das Geld gedacht.

Bei House Of Pain warst Du sorgloser.

Da hab ich die Kohle für blöden Scheiß zum Fenster raus geworfen. Beispielsweise sind wir in einen Strip Club gegangen, ließen alle anderen Gäste raus schmeißen und mieteten uns die Stripper für die ganze Nacht. Für den Spaß hat jeder von uns zehn- bis zwanzigtausend Dollar hingelegt.

Wie ist Deine Beziehung zu Eminem heute?

Die Sache ist lange her. Ich traf ihn, stellte mich vor und er war etwas rüde zu mir. Darauf sagte ich etwas und er sagte etwas. Sein Manager Paul Rosenberg managt meine besten Freunde Cypress Hill, es ist alles halb so wild. Ich bewundere Eminems Talent, er ist phänomänal.

Zu Deiner Musik. Wann wurde Dir klar, dass sie dem traditionellen Talkin´ Blues ähnelt?

Mein Erzählen kommt vom Rap. Ich nehme alle Dinge, die mich im Leben inspirierten und vermische sie. Das macht auch ein DJ mit seinen Platten. Ich mag (Talking Blueser) John Lee Hooker, aber ich wollte ihm nie nacheifern. Für mich gibt es keine Regeln, ich habe keine musikalische Ausbildung. Die erste Musik, die ich liebte, war Hip Hop, der sich bekanntlich überall bedient. Aus Samples alter Songs wird neue Musik. Mit der Haltung eines Hip Hoppers gehe ich jetzt an alte Musik und mache etwas Neues draus.

Wann hast Du Gitarrespielen gelernt?

Als kleines Kind, obwohl ich kaum Unterricht bekam. Als Teenager spielte ich erneut ein, zwei Jahre, dann begann ich zu rappen, da brauchte ich keine Gitarre. Wenn du im Musikgeschäft bist, findest du überall Gitarren, im Bus und im Studio. Ich schrieb ein paar Songs, doch ich war ein engstirniger Rapper und hätte nie gedacht, dass ich sie mal aufnehmen würde. Je älter ich wurde, desto mehr wurde ich überzeugt, dass man diese Lieder auf Platte bringen müsste. So öffnete sich diese neue Richtung für mich.

"White Trash Beautuful" enthält ein enormes Spektrum, es reicht von Klassik, Country, Irish Folk bis zu Classic Rock.

Ich kenne sehr viel Musik. Statt einer Plattensammlung hab´ ich nur noch einen iPod. Ich liebe das Teil! Ich höre alles und gebe jedem Song eine Chance. Hip Hop muss sich öffnen, es gibt zu viele Typen, die verrückt spielen. Ihnen geht´s nur um knallende Champagnerkorken und nackte Mädels in Videos. Sie sehen aus wie Clowns, aber sie meinen es ernst. Alle machen exakt dasselbe. Aber es gibt auch Mose Def und Outkast, die jedes Mal Mut zum Risiko beweisen. Von mir erwarten die Leute, dass ich etwas Neues mache, so versuche ich immer ein Stück weiter zu gehen.

Es gibt auch psychedelische Passagen, die an "Dust", das Solo-Album von DJ Muggs (Cypress Hill) erinnern.

Mein halbes Album hab´ ich in seinem Studio aufgenommen. Für "Dust" habe einen Song geschrieben, meiner Meinung war Muggs von mir beeinflusst. Wenn du high bist, gut gelaunt und trippy Musik hören willst, ist es ein gutes Album. Mir ist es jedoch etwas zu langsam und zu dunkel.

Deine Texte sind sehr bildlich. Gehst Du viel ins Kino?

Ich sehe viele Filme, Mann! Die setzen sich im Unterbewusstsein fest. In Amerika kommen Platten und Filme dienstags heraus, also steh ich jeden Dienstag im Laden und kaufe CDs und DVDs.

Die Songs handeln von Verlierern, von "menschlichem Müll".

Wie gesagt, ich war nie arm. Es gibt diese Einkommensgrenze, wenn du darunter liegst, bist du White Trash. Ich singe über arme, weiße Leute ohne viel Bildung, das sind die wahren Menschen, die das echte Leben leben. Zuhause bin ich total anti Showbusiness. Ich mag echte Menschen! Die einzigen Promis, mit denen ich abhänge, sind meine Buddies von Cypress Hill und Sean Penn. Sean ist der einzig richtig berühmte Typ, den ich kenne.

Du hast Freunde in Trailer Parks?

Ja, ich kenne Typen, die fahren mit ihrem Haus umher. Der Song "White Trash Beautiful" handelt von Einsamkeit und dem Leben auf der Straße. Ich bin kein Trucker und meine Freundin ist keine Kellnerin, aber ich bin dauernd unterwegs, ich weiß wovon ich singe und habe nur die Charaktere verändert. Einsamkeit ist das Thema meiner Platte. Ich bin nicht verheiratet und habe keine Kinder, aber eines Tages wird es soweit sein. Bis dahin lebt meine Freundin in San Francisco und ich in LA. So sitz ich viele Nächte allein zuhaus und schreib´ Songs.

www.everlast.com

Henning Richter

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