ARBEITSPROBE:
Henning Richter
Journalist / Autor für Musik, Kultur & Sport
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BILL WYMANs Rolling Stones Story - Rollen mit den Stones
Bassist Bill Wyman nutzt seine eindrucksvolle Rolling-Stones-Sammlung für ein Buch über die größte Rockband der Welt.
„Im April 1963 spielten wir im Crawdaddy, einem Club in London. Zwei Meter vor der Bühne standen vier Typen in langen Ledermänteln. Ich drehte mich zu Charlie (Watts) und sagte: ,Mist, das sind die Beatles‘“, erinnert sich Bill Wyman, 31 Jahre Bassist der Rolling Stones. „John, Paul, George und Ringo blieben auch noch zum zweiten Konzert. Dann fuhren wir in die Wohnung von Mick, Keith und Brian in der Edith Grove und spielten ihnen unsere neuen Songs vor. Das war der Beginn einer langen Freundschaft. Die Rivalität zwischen beiden Bands ist eine Erfindung der Medien, sie hat es nie gegeben.“ Während er das sagt, kommt Wyman sogar ein wenig in Rage, erstaunlich, schließlich erzählt er die Geschichte öfter. Das Interview findet im siebten Stock des Kulturkaufhauses Dussmann in Berlin statt, Anlass ist sein neues Buch „Bill Wymans Rolling Stones Story“, in dem der freundliche Rock-Gentleman eine ganze Reihe dieser Fehleinschätzungen, Gerüchte und sachlicher Fehler berichtigt. „Na ja, ihr Zeitungen müsst euch ja auch verkaufen“, lächelt er verständnisvoll.
Wyman ist Medien-Profi, er spricht langsam, aber bestimmt, streut kleine Scherze ein und kann sich sogar noch an ein paar Brocken Deutsch aus seiner Armeezeit in Oldenburg erinnern. Zum Beispiel an das Wort „Halbstarke“. „Unsere Fans wurden von den Medien als „Halbstarke“ bezeichnet, weil sie im September 1965 die Berliner Waldbühne zerlegten“, schmunzelt er. Geboren wurde er am 24.10.1936 als William Perks. Ein Freund in der Armee hieß Lee Whyman. „Der Name gefiel mir, meinen eigenen Namen hab ich nie gemocht. Nach meiner Rückkehr nach London ließ ich ihn ändern, das kostete mich dreißig Pfund. Bei dem Preis hab mich immer gefragt, warum nicht mehr Leute mit schlimmen Namen das tun.“
Die Metapher von den rollenden Steinen ist im Englischen ein geflügeltes Wort, man findet sie als Roman- und Musical-Titel, ja sogar im Alten Testament (Sprüche Salomos, Kapitel 26, Vers 27). Warum Bandgründer Brian Jones seine Band Rollin´ Stones (sic) nannte, kann auch Wyman nicht abschließend klären. Fakt ist, laut Ankündigung im Melody Maker spielten die Stones ihren ersten Gig am 12. Juli ´62 im Marquee, damals noch ohne Wyman. Der Bassist debütierte am 14. Dezember des gleichen Jahres, Charlie Watts trommelte am 12. Januar 1963 das erste Mal mit der Band im Ealing Jazz Club.
Von Kindesbeinen an war Wyman ein Sammler. Er sammelte Briefmarken, Münzen und Zigarettenbilder von Stars. „Ich wollte meinem Sohn Stephen später zeigen, dass sein Vater ein paar Jahre in einer Popband gespielt hat“, begründet er, warum er mit seiner umfassenden Rolling-Stones-Kollektion begann. „Aus den paar Jahren wurde der größte Teil meines Erwachsenenlebens“. Von Anfang an archivierte er akribisch Zeitungsartikel, Fotos, Briefe (u.a. von Brian Jones), Konzerttickets, Quittungen, Statements von Musikerkollegen, Journalisten und Fans. Ferner führte er ab 1964 Tagebuch. Den Umfang seiner Sammlung schätzt er auf eine halbe Million Einzelteile. Heraus kam das typische Buch eines Sammlers, vollgestopft mit Material, ein komplettes Register inklusive, da bleibt die Übersichtlichkeit schon mal auf der Strecke. Wenn es um Fachbegriffe aus dem Musikgeschäft geht, gerät die Übersetzung machmal etwas unbeholfen, dennoch bleibt dieses wuchtige Kompendium unterm Strich eine wahre Fundgrube für Stones-Kenner und -Fans.
Nach seinem Ausstieg bei der dienstältesten Rock´n´Rollband der Welt 1993 gründete Wyman seine eigene Gruppe, Rhythm Kings, auf deren Platten Rock-Promis wie George Harrison, Eric Clapton und ex-Rolling Stone Mick Taylor mitspielten. Das sei „sein Hobby“, untertreibt er verschmitzt, in Wahrheit hat die Band mehrere US- und Europa-Tourneen absolviert und sich einen exzellenten Ruf erarbeitet. Daneben veröffentlichte er „Wyman Shoots Chagall“ mit Fotografien der Werke Marc Chagalls sowie ein Buch über den Blues, „Bill Wyman´s Blues Odyssey“. Ferner betreibt er „Sticky Fingers“, eine Restaurantkette in England. Im selben Jahr, in dem Wyman die Stones verließ, heiratete er übrigens das Model Suzanne Accosta, mit der er drei Töchter zeugte.
Über seinen Einstieg bei den Stones berichtet er folgendes: „Am 7. Dezember 1962 ging ich zum Vorspielen und brachte zwei weitere große Verstärker mit. Ich bot ihnen an, darüber zu spielen. Deshalb sagt man über mich: Bill Wyman brachte den Strom zu den Stones. So wurde ich berühmt“, und lacht einmal mehr. Sein Ruf als „Womanizer“ habe eine pragmatische Begründung: „Was soll man auf Tour sonst machen? Du sitzt in deinem Hotelzimmer und kannst nicht raus, weil Fans das Gebäude belagern. Dann klopft es an der Tür: ,Kann ich reinkommen?‘ Sex ist eine gesunde Angewohnheit, davon kann man keine Überdosis nehmen, von Drogen dagegen schon“, sagt er in Anspielung auf die Rauschmittel-Probleme vieler Kollegen. Gibt es Dinge in seiner Zeit mit den Rolling Stones, die er bereut, will ich zum Schluss noch wissen. „Es war eine fantastische Zeit, aber es wurden viele Stunden verschwendet. Ich hatte Interesse am Produzieren, an Filmmusik, Fotografie und Archäologie, doch ich konnte kaum etwas davon tun, denn wir saßen im Studio und warteten auf die anderen. 1988 wurde Charlie gefragt, wie er seine Zeit bei den Stones sieht und er antwortete in einem Satz: „Fünf Jahre Arbeit und zwanzig Jahre Warten“.“
Bill Wyman mit Richard Havers
Bill Wymans Rolling Stones Story
Dorling & Kindersley
ISBN 3-8310-0391-2
512 Seiten; 49,90 €
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