ARBEITSPROBE: BIF NAKED - Superbeautifulmonster "In einer perfekten Welt spielten wir 365 Shows im Jahr", lacht Bif Naked, die Königin des kanadischen Rock. Die reiselustige Monarchin sucht ständig die Nähe des Volkes, nur im Austausch mit ihren Fans erhält sie ihre königlichen Kicks. "Jede Nacht kommen Leute, die mich hören wollen. Ich singe über mein gebrochenes Herz und sie verstehen mich. Das Verständnis von Menschen ist das größte Gefühl der Welt!", schwärmt sie im Superlativ und setzt noch einen drauf: "Mit einer Band unterwegs zu sein, ist die beste Art des Lebens." Für die passionierte Rock´n´Roll-Zigeunerin beginnt ein perfekter Abend so: "Vor dem Konzert mache ich Liegestütze, die Musiker nehmen ein paar Drinks. Anschließend hören wir uns einige Pantera-Kracher an - und dann geht´s ab auf die Bühne", berichtet die Frau mit der Betty-Page-Frisur, unter der ein Paar wache, grüne Augen leuchtet. Auf der Bühne singt Her Royal Bifness ihren wilden Mix aus Pop und Rock, mit dieser Stimme, die den Bogen von mädchenhaft niedlich über lasziv verrucht bis zu wutentbrannt brüllend spannt. Ruppiger Punk wechselt mit verträumten Balladen und melodischen Rocknummern, befeuert von lodernden Refrains, letztere eine Spezialität von Miss Naked. Über zehn Jahre ist Bif bereits unterwegs, sie sang im heimischen Kanada, Nachbarstaat USA und fernen Europa. Von Green Day und Foo Fighters über The Cult und Metallica bis zu Kid Rock und Snoop Doggy Dog ist sie mit unzähligen Größen des Musikgeschäfts aufgetreten. Im Team mit Dido, Sarah McLachlan, Sheryl Crow und Chrissy Hyde zählte sie zu den Sangesfeen der Lilith Fair, sie arbeitete als Moderatorin für MTV Sports und fungierte als Headliner des SnoJam, Kanadas reisender Extremsport-Extravaganza, die zwischen 15.000 und 20.000 Menschen anzieht. Nichts genießt die smarte Schönheit mehr als den Jubel ihrer Anhänger. Im Gegenzug hält sie diese mit ihrer Website www.bifnaked.com, diversen blogs und Internetportalen auf dem Laufenden. Zum Beispiel über ihr neues Tattoo, eins von über dreißig, fast alle in der Lieblingsfarbe schwarz gehalten. "Neulich in New York habe ich mir das Wort "Hardcore" auf den Bauch tättowieren lassen. Mein Lifestyle, meine Ernährung, Philosophie, Arbeitsethik sind hardcore, ich gebe immer 150 Prozent", erklärt sie, zugleich Chefin ihres eigenen Labels Her Royal Majesty Records, dessen Symbol selbstverständlich eine goldene Krone ist. In diesen Tagen erscheint mit "Superbeautifulmonster" ihr fünftes Album. Aus fünfzig Titeln wurden 13 heraus geschält, dabei machte sich die taffe Rock-Diva besonders für zwei Nummern stark. "Ich wollte "After A While" drauf haben, es sollte der letzte Song sein, der Schlussakkord der Platte. Der Text ist selbstironisch, er berührt Schmerz und Schande und Verlangen. Bei all diesen Gefühlen nicht in Tränen auszubrechen, war schwierig", bekennt sie. Ein weiterer Song, den Bif pickte, war "Henry" (nein, nicht Rollins). "Es geht um einen Typen, den ich los lasse, zu seinem eigenen Glück." Das mittelschnelle "Let Down" verfügt über einen ihrer typischen Refrains, der den Hörer packt, schüttelt und nicht mehr loslässt. "Die Nummer stammt von Kevin Kadish. Es geht um die Ansprüche unserer Eltern, die wir nicht erfüllen. So fühlen wir uns als Verlierer. Mein Vater etwa hat keine Ahnung, was ich mache, er weiß nur, dass ich mein Studium nicht abgeschlossen habe." Mit "Nothing Else Matters" befindet sich eine weitere Fremdkomposition auf der Scheibe. "Das ist das schönste Liebeslied der Welt! Ich liebe Metallica, ich habe sie oft getroffen, in Jon Zazula hatten wir ein paar Jahre denselben Manager." Seit den frühen Neunzigern ist Bif ein Eckpfeiler der kanadischen Rockszene. Sie sang in verschiedenen Indie-Kapellen bevor sie 1995 mit "Bif Naked" ihr Solodebüt gab. Es folgte das Spoken Word Album "Okenspay Ordway I - Things I Forgot To Tell Mommy", das einen Monat in den kanadischen College Charts verbrachte. Den Durchbruch brachte "I Bificus" im Jahr 1998, dessen Single-Hit "Spaceman" zur Nummer Eins in Kanada wurde. Mit "Purge" erschien 2001 Album Nummer vier, das ihr prompt die erste Juno-Nominierung einbrachte. Und jetzt legt sie "Superbeautifulmonster" nach, eine Scheibe voller "Aggro-Lovesongs", wie sie sagt, die beim hippen kanadischen Indie Label bodogmusic.com erscheint. Für nicht Wenige ist Bif Naked eine Person mit Vorbildcharakter. Straight edge seit 1995, ist sie dazu Veganerin, die jeden Tag ein striktes Fitnessprogramm absolviert. Mit großer Ausdauer studiert sie die Religionen und Philosophien der Menschheit. Zum Ausgleich fährt sie BMX Bike, Skate- und Snowboard, kümmert sich hingebungsvoll um ihre beiden "Wollknäuel" Nicklas und Anastasia und ist dazu noch leidenschaftlicher Eishockey-Fan (Lieblingsteam: Vancouver Canucks). Bei aller Disziplin ist sie dennoch keine Despotin. "Wir ergänzen uns prächtig", grinst sie, "meine Musiker haben Spaß am Trinken und ich fahre gern Auto." So exotisch der kreative Alltag der Hardcore-Herrscherin erscheint, so unglaublich begann ihr Leben. Sofort nach der Geburt im indischen Neu Dehli wurde sie Vollwaise. Ihre kanadische Mutter und der indische Vater, beide noch Schüler, gaben das Neugeborene nach der Entbindung zur Adoption frei. Baby G - so hieß sie in der nüchternen Behördensprache - hatte allerdings mehr Glück als die allermeisten verwaisten Kinder. Sie bekam neue Eltern, ein amerikanisches Missionars-Ehepaar adoptierte die Kleine und taufte sie Beth Hopkins. Zusammen zogen sie in die USA, über die Stationen Minnesota, Kentucky und Manitoba landete sie am Ende in ihrer Homebase Vancouver. Neben einer gehörigen Portion Glück und Talent gehören Ausdauer und Zähigkeit zum Leben der Bif Naked. "Für mich gibt es keine Hindernisse, nur Herausforderungen, härter zu arbeiten", meint sie pragmatisch. In Zukunft plant die rastlose Königin die Fortsetzung ihrer globalen Regentschaft: "Vielleicht werde ich dabei ein Baby auf dem Rücken tragen, aber - ich schwöre - die Tour wird weiter gehen." |
Henning Richter |