ARBEITSPROBE:
Henning Richter
Journalist / Autor für Musik, Kultur & Sport

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wom 03/00:
AC/DC - Sprengstoff für die Ohren

Im Zentrum von AC/DC steht das kleinste, findigste und explosivste Brüderpaar des Rock´n´Roll: Angus und Malcolm Young.

"Einige meiner glücklichsten Momente hatte ich nach starken Regenschauern. Ich ging spazieren, genoss die frische Luft und freute mich wie sauber alles war." Redet so einer der größten Hard-Rock-Stars unserer Tage? Ja, genau so redet Angus Young. Nicht viel größer als ein Bierglas (1,55 m um genau zu sein) zählen Angus und seine Mannen zu den Riesen des Showbusiness, auf 85 Millionen belaufen sich ihre Albenverkäufe weltweit bislang. Mit dem soeben erschienenen Werk "Stiff Upper Lip" werden noch ein paar hinzukommen, das ist so sicher wie das Feuer in der Hölle.

Verheiratet mit einer Holländerin, lebt der geborene Schotte (die Familie zog 1963 nach Australien) auf dem Land nahe dem niederländischen Venloe. Er mag es bescheiden, Luxus, Limosinen und Learjets sind dem Gitarren-Derwisch schnuppe: "Ich bin eine kleine Person, ich brauche nicht viel. Ich schätze die kleinen Dinge im Leben. Als ich das erste Mal zu Geld kam, kaufte ich einen Fernseher und einen Plattenspieler. Beides besitze ich heute noch. Geld war mir nie besonders wichtig." Seine Band dagegen hat ein anderes Verhältnis zur Kohle, AC/DC brauchen eine Menge Schotter, denn sie zählen zu den wenigen großen Bands, die sich weigern, mit Werbepartnern zusammenzuarbeiten. "Viele von den Dollars, die wir verdienen, stecken wir in die Band. AC/DC wird von AC/DC gesponsort. Das gilt auch für meine Gitarren, ich habe alle meine guten Gitarren gekauft. Ich will nicht gesponsored werden, denn der Sponsor stellt dir Bedingungen."

Wer den zierlichen, sanften Mittelblonden im Gespräch erlebt, kann sich kaum vorstellen wie der kleine Kerl auf der Bühne agiert. Als lege man einen Schalter um, von Schwach- zu Starkstrom, verwandelt sich Angus in eine Art menschlichen Tornado. Zum Gaudi der Fans zerrt, zuckt und zappelt er in seiner legendären Schuljungen-Uniform - und spielt, so ganz nebenbei, sengende Soli auf seiner roten Gibson SG. "Um die Leute zu unterhalten, würde ich sogar vom Sieben-Meter-Turm springen - am Wasser vorbei. Auf den Brettern fühle ich mich wie ein Schwein im Koben", erklärt der stille Abstinenzler seine wundersame Wandlung zum phonstarken Saiten-Sufi, "mit Musik fühle ich mich stark. Musik ist so mächtig!"

Seine Leidenschaft begann schon als Kind: "Rockmusik gab es im Rundfunk nur spät nachts. Ich hatte ein kleines Transistorradio, das ich nachts um drei einschaltete. Plötzlich wurde ich hellwach und aufgeregt. Ich musste im Zimmer herumspringen, voller Feuer."

Der kleine Feuerteufel mag im Mittelpunkt jeder AC/DC-Show stehen, das musikalische Rückgrat bildet sein Bruder Malcolm. Lange Zeit stand der zwei Jahre ältere Bruder im Schatten, inzwischen ist er als vielleicht bester Rhythmusgitarrist der Welt anerkannt. So bezeichnete Tom Morello, der innovative Riff-Meister von Rage Against The Machine, Malcolm kürzlich als "unerträglich fantastisch!" Auch Angus ist voller Respekt für den Mann, der ihm den Rücken stärkt: "Ich bewundere ihn mehr und mehr. Er ist einzigartig! Malcolm sitzt einfach da und spielt. Es sieht so einfach aus, aber wenn du seine Riffs nachspielen sollst, merkst du, wie komplex sie sind. Ohne seinen Sound gäbe es AC/DC nicht."

Angus Young über:

PUNK
"Sie nannten uns Punks, aber unsere Musik war völlig anders. Viele kamen damals um uns zu sehen, auch die Sex Pistols. Ich dagegen habe mir keine einzige Punkband angeschaut."

VORBILDER
"Ich mag die Rock´n´Roller der 50er und 60er. Meine Idole sind Chuck Berry und Little Richard. Daneben mag ich den Blues, ich habe ein ganzes Zimmer voller Platten aus den 20ern und 30ern. Ich liebe Muddy Waters, Elmore James und die drei Kings, BB, Albert und Freddie. Ohne diese Pioniere hätte es Beatles und Stones nicht gegeben."

NACHAHMER
"Als wir in Australien anfingen, waren wir die einzigen, die diesen Stil spielten. Besonders junge Leute standen auf unsere Energie. Seither haben viele Bands überall auf der Welt unseren Stil übernommen - weil sie wissen, dass er funktioniert."

SCHULE
"Ich verließ die Schule mit 15, meine Bildung ist nicht besonders groß. Ich fühle mich nicht qualifiziert, über Politik, Religion oder das Ozonloch zu sprechen."

HÖHEPUNKT
"Für mich war der Höhepunkt das erste Mal, als ich auf die Bühne ging. Das vergisst du nie, das ist genauso wie das erste Mal mit einer Frau. Es war der größte Adrenalin-Kick meines Lebens, aber nervös bin ich bis heute vor jedem Gig."

TIEFPUNKT
"Der Tod von (Sänger) Bon Scott war der tiefste Punkt unserer Karriere. Auch als (Trommler) Phil Rudd unsere Band verließ, nach allem was wir zusammen durchgemacht haben, dazu zählt auch Bons Tod, war das ein Tief. Wir mussten allen nachfolgenden Schlagzeugern beibringen so zu spielen wie er." (Zum Glück ist Phil heute wieder dabei.)

TEXTE
"Wir schreiben meist eher ungezogene Texte, politische Statements sind nicht unser Ding. Wir haben aber auch ernste Themen gehabt, in "Money Talks" ging´s um geldgierige Yuppies, in "Gone Shootin´" um Heroin. Man kann auch über Sünden singen, aber wir versuchen, die Dinge immer mit etwas Humor zu sehen. Du spielst Rock´n´Roll doch nicht, um dir die Pulsadern aufzuschneiden, sondern um Spaß zu haben."

KONZERTE
"Ich habe kein Alter. Jeder wird äußerlich älter, aber was sich innen abspielt, zählt bei AC/DC. Ein Schauspiel-Kollege sagte mal über Humphrey Bogart: ,Wenn ich neben ihm stand, war ich größer, doch vor der Kamera war er größer.‘ So ist es auch mit mir, ich bin ein kleiner Typ, doch auf der Bühne stelle ich mir etwas vor, und das ist größer als das Leben."

ALLTAG
"Auf der Bühne spiele ich zwei Stunden lang. Wenn ich runterkomme, dann ist das mein Leben, und das lebe ich einfach und nicht im Rock´n´Roll-Stil. Ich kann niemandem sagen, was er denken soll, und ich hab keinen Bock auf Predigten von anderen. Aber meine Philosophie ist die Einfachheit, daran glaube ich."

FÜHRERSCHEIN
"Kein Land fühlte sich sicher genug, mir einen Führerschein zu geben. Meine Brüder fahren Autos, aber mein Vater fühlte sich wohl, wenn er zu Fuß ging oder den Bus nahm. Ich bin genauso, ich gehe gerne."

MOTIVATION
"Ich sah all die Frauen und dachte mir, die sehen aber gut aus. Ich war geil. Ich borgte mir eine Gitarre von meinem Bruder und begann zu spielen."

Henning Richter

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